Referat für Stadtplanung und Bauordnung

2. S-Bahn-Stammstrecke München;
Planfeststellung nach § 18 Abs. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)

Beschlussvorlage für den Stadtrat am 27.6.2007 und 23.1.2008

 

 

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Stellungnahme  des  Planungsreferates  der  Landeshauptstadt  München  und  der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) (Dokument vom 29.11.2007):

(...) 2. Zum Vorschlag ..Alternatives S-Bahn-Konzept für München: Teilausbau Südring“

Der im April 2007 in einer Veranstaltung der Bürgerinitiative S-Bahn-Tunnel Haidhausen vorgestellte Konzept-vorschlag eines Autorenteams wurde in der am 27.06.2007 unterbreiteten Vorlage zunächst lediglich mit einer Ersteinschätzung des Planungsreferates erwähnt (s. Beilage S. 56/57). Inzwischen hat die zuständige Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) mit Schreiben vom 27.07.2007 nach einer ersten freistaatsinternen Prüfung der Studie folgende Ergebnisse übermittelt:

„Das Autorenteam stellt die Notwendigkeit der 2. S-Bahn-Stammstrecke grundsätzlich in Frage und schlägt alternativ die Nutzung des Südrings durch S-Bahnen vor. Dabei basieren die Ausführungen auf der Fortschreibung des 10/20 Minuten-Taktsystems der S-Bahn und dem Ziel, tangentiale Verkehrsströme zu optimieren.

Unberücksichtigt bleiben dagegen die wesentlichen Ziele einer zweiten Innenstadtquerung mit der S-Bahn. Neben der Verbesserung im S-Bahnstörfall hat die 2. S-Bahn-Stammstrecke die Aufgaben, die bestehende Stammstrecke verkehrlich zu entlasten und die direkte und schnelle Erreichbarkeit der bedeutendsten Aufkommensschwerpunkte Hauptbahnhof und Marienplatz/-hof sicherzustellen.

Gerade bei der verkehrlichen Entlastung hat sich bereits in der vergleichenden Untersuchung zwischen Südringausbau und einer 2. S-Bahn-Stammstrecke aus dem Jahr 2001 gezeigt, dass der Südring im besten Fall rund ein Viertel der verkehrlichen Entlastung erzielen kann gegenüber einer 2. S-Bahn-Stammstrecke. Diese unzureichende verkehrliche Akzeptanz resultiert u.a. aus der nicht direkt erreichbaren Münchner Innenstadt (Stationen Hauptbahnhof, Marienplatz). Eine nennenswerte verkehrliche Entlastung der bestehenden Stammstrecke ist jedoch Voraussetzung, urn die Attraktivität und somit die Akzeptanz der Münchner S-Bahn noch weiter zu steigern.

Eine hohe verkehrliche Entlastung der bestehenden Stammstrecke wird vom Autorenteam innerhalb ihres vorgestellten Alternativkonzeptes jedoch vorausgesetzt. Nur so lassen sich auf der bestehenden Stammstrecke die Fahrgastwechselzeiten realisieren, urn die unterstellten dichten Zugfolgen (1,6 bis 1,8 Minuten) theoretisch darzustellen. Allerdings liegt die Betonung auf theoretisch, da Zugzahlen von 33 S-Bahnen je Richtung und Stunde trotz alter technischen Unterstützung im geringsten Störfall zu einem noch grofleren Chaos im Vergleich zur heutigen Situation führen. Verstärkt wird dies noch dadurch, dass das Autorenteam von einer ganztägigen Auslastung der Stammstrecke mit 33 S-Bahnen je Richtung und Stunde ausgeht und somit keinerlei Erholungsphasen für das Gesamtsystem bestehen.

Die vom Autorenteam unterstellte Nutzung des Südrings führt zu erheblichen Einschränkungen im Regional-Fern, und Güterverkehr. Die derzeit separaten Gütergleise von Laim bis Südbahnhof werden bereits ab Heimeranplatz nach Vorstellung des Autorenteams auch für den Regional- und Fernverkehr genutzt. Die S-Bahn verkehrt dann auf den heutigen Fernbahngleisen. Östlich des Südbahnhofs entsteht dann eine neue Mischbetriebsstrecke, auf der zweigleisigen Infrastruktur verkehren dann neben dem Regional- Fern- und Güterverkehr nun noch zusätzlich S-Bahnen. Hier würden pro Stunde durchschnittlich Zugfolgezeiten von 3 bis 4 Minuten je Richtung entstehen. Dies kann nur erreicht werden, wenn ein hoher Aufwand in der Leit- und Sicherungstechnik betrieben wird und zu dem die unterschiedlichen Zugarten ihr Geschwindigkeitsniveau an einander anpassen.

Auswirkungen auf die Fahrzeiten besonders der Regional- und Fernverkehrszüge sind die Folge. Insgesamt wird somit der Südring für den gesamten Schienenverkehr zu einem betrieblichen Nadelöhr und qualitativen Engpass. Die vom Autorenteam erforderlichen Baumaflnahmen am Heimeranplatz, am Bahnhofsostkopf des Südbahnhofs sowie im westlichen Einfahrbereich des Ostbahnhofs sind technisch aufwendig und hinsichtlich ihrer rechtlichen Durchsetzbarkeit als kritisch einzuschätzen. Darüber hinaus müssen alle Schienenfahrzeuge, die dann zukünftig über den Südring verkehren, für die hohen Anforderungen der neuen Leit- und Sicherungstechnik ausgerüstet sein.

Der Ostbahnhof bis einschliefllich Leuchtenbergring wird gemafl dem Alternativkonzept grundlegend umgebaut. Der Umfang reicht weit über die bisher bekannten Veröffentlichungen zum Thema Südring hinaus. Gerade der vorgesehene Umbau des Ostbahnhofs führt zu deutlichen Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit für den Schienenverkehr auflerhalb der S-Bahn. Das Autorenteam geht darauf nur sehr oberflächlich ein bzw. zeigt keine Lösungsansätze zur Erhaltung der Bahnhofsleistungsfähigkeit auf.

Das vom Autorenteam beschriebene Angebotskonzept der S-Bahn basiert auf dem 10-/20 Minuten-Takt und ist aufgrund von Linienkorrespondenzen und weiteren Zwängen (z.B. Linienreihenfolgen) sehr statisch. Das heißt, jegliche Veränderungen (z.B. Fahrplananpassungen im Regional- und Fernverkehr) bedingen die Aufgabe des vorgestellten Angebotskonzeptes und somit zu tief greifenden betrieblichen und verkehrlichen Verschlechterungen bei der S-Bahn. Bei der vom Freistaat geplanten 2. S-Bahn-Stammstrecke dagegen, gibt es umfangreiche Angebotskonzeptstudien für die S-Bahn die möglichen Änderungen im übrigen Schienenverkehr Rechnung tragen können und zu dem eine schnelle Erreichbarkeit (Express-S-Bahnen) der verkehrlichen Aufkommensschwerpunkte gewährleisten.

Neben diesem wesentlichen Fehlern bei der Konzeptbearbeitung durch das Autorenteam, zeigen auch die Infrastrukturma&nahmen mit Investitionskosten erhebliche Schwächen. So wird die 2. S-Bahn-Stammstrecke mit 2 Mrd. € Investitionskosten beziffert. Diese Zahl ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Nach wie vor liegen die Kostenermittlungen bei rund 1,3 Mrd. € (ohne Planungs- und Genehmigungskosten). In dieser Summe sind neben den Kosten für die zweite Stammstrecke an sich, auch alle Netzergänzenden Maßnahmen enthalten. Das heiflt all die zusätzlichen Infrastrukturmaflnahmen auf den S-Bahnlinienauflenästen, die gewährleisten, dass die gewonnenen Freiheitsgrade im Kernbereich der S-Bahn ihre Wirksamkeit bis zu den Linienendpunkten entfalten können.

Dem gegenüber werden vom Autorenteam Ausbaumaflnahmen im S-Bahnbereich benannt, die weder betrieblich noch verkehrlich sinnvoll sind (z.B. Doppelspur Aying - Groflhelfendorf) oder hier mit fragwürdigen Kosten beziffert werden (z.B. Doppelspur Giesing - Höhenkirchen - Siegertsbrunn). Auch ist die Zusammenstellung unvollständig, da im Konzept eindeutig der Ausbau zwischen Laim und Neufahrn als Voraussetzung benannt wird, die dafür notwendigen Investitionen jedoch in der Zusammenstellung fehlen.

Zusammenfassend ist die Bayerische Eisenbahngesellschaft zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorliegenden Unterlagen keine neuen Aspekte für die Diskussion urn die Weiterentwicklung des Schienenpersonennahverkehrs im Freistaat und insbesondere in der Region München beinhalten.“

Das Planungsreferat stimmt den Ausführungen der BEG zu den betrieblichen und baulichen Aspekten grundsätzlich zu. Aufgrund der Diskrepanz in den obigen Ausführungen der BEG hinsichtlich der Investitions­kosten der 2. S-Bahn-Stammstrecke (1,3 Mrd. €) gegenüber der ÄuUerung des Bayerischen Wirtschaftsministers im Bayerischen Landtag am 21.06.2007 (1,848 Mrd. €), wurde die BEG in diesem Punkt jedoch urn ergänzende Erläuterungen gebeten. Die BEG führte dazu mit Schreiben vom 31.08.2007 Folgendes aus:

„Unsere Aussage vom 27.07.2007 zum Investitionsbedarf der 2. S-Bahn-Stammstrecke wiederspiegeln die der-zeit von der DB ermittelten reinen Infrastrukturkosten sowohl im Innenstadtbereich als auch der Netzergänzen­den Ma&nahmen. Die von Herrn Staatsminister Huber genannten 1,848 Mrd. € beinhalten zusätzlich zu den Infrastrukturkosten auch alle Planungsmittel sowie so genannte Risikozuschläge. Diese Risikozuschläge wurden seitens der DB in die Verhandlungen zum Bau- und Finanzierungsvertrag eingebracht. Mit diesen Zuschlägen möchte sich die Bahn von jeglicher Verantwortung für das Projekt 2. S-Bahn-Stammstrecke entbinden. Da die Verhandlungen zum Bau- und Finanzierungsvertrag noch nicht abgeschlossen sind, muss der Freistaat zunächst von den 1,848 Mrd. € ausgehen.“

3. Fazit, weiteres Vorgehen

Die Überprüfungsergebnisse und Stellungnahmen der BEG machen deutlich, dass nach wie vor keine Lösung erkennbar ist, die dem weitreichenden verkehrlichen Nutzen der 2. S-Bahn-Stammstrecke nahe kommen könnte.

Bei dem geschilderten Sach- und Erkenntnisstand wird trotz des Mangels an Detailinformationen über das weitere Vorgehen seitens Freistaat Bayern und DB ProjektBau GmbH derzeit keine Veranlassung gesehen, die grundsätzlich befürwortende Position der Landeshauptstadt München zur Planung der 2. S-Bahn-Stammstrecke in Frage zu stellen. Vielmehr sollte das Interesse der Landeshauptstadt München an einer baldigen Planfest-stellung und Realisierung unter Berücksichtigung der im Verfahren vorgetragenen Belange nachdrücklich bestätigt werden. Es wird aber für notwendig gehalten, von den Verantwortlichen erneut verbindliche Angaben über die Finanzierung sowie die technische und zeitliche Baudurchführung einzufordern.

Aufgrund der weitreichenden Vorteile besonders für die ÖV-Verkehrsverbindung von Region und Landeshaupt­stadt beabsichtigt nach hiesiger Kenntnis auch der Regionale Planungsverband, anknüpfend an die bisher schon verabschiedeten Resolutionen (s. Ziffer 2.3 der Beilage), eine erneute Initiative zur Unterstützung dieses VerkehrsgroBprojektes.

Nicht zuletzt die aktuellen Probleme bei der S-Bahn aufgrund der von Eisenbahn-Bundesamt aus Sicherheits-gründen verfügten Geschwindigkeitsbegrenzung und die dadurch entstehenden Ausfälle und Verspätungen (u.a. aufgrund des verringerten Durchflusses bei der bestehenden Stammstrecke wegen zu berücksichtigender gröUerer Bremswege) machen deutlich, wie dringend eine leistungsfähige zweite Stammstrecke erforderlich ist.

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